Als Führungskraft Halt und Orientierung geben 

 

 

Bildbeschreibung

Fahren auf Sicht

Jahresziele haben gerade ausgedient. Auch kurzfristige Ziele, wie man sie sich mit Objectives und Key Results (OKR) gesteckt haben mag, verlieren in der Krise mit globalem Ausmaß schnell ihre Daseinsberechtigung. Jetzt hilft nur noch maximale Flexibilität und kurzfristige Orientierung. Führungskräfte sind gefordert, von Woche zu Woche zu denken, zu planen und zu handeln. Überraschende Herausforderungen und neue Chancen kommen alle paar Tage um die Ecke.

 

Flexibilität ist dabei nicht Jedermanns Sache. Menschen die viel Stabilität und einen geregelten Tagesaublauf brauchen, kommen durch diese schnellen Wechsel an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Es lohnt sich, mit diesen Teamkollegen besonders eng im Kontakt zu sein. Denn wer das Gefühl hat, er schwimmt, kann nur schwer einen guten Job machen.

 

Beim Fahren auf Sicht gilt es also nicht nur darauf zu achten, welche fachlichen Entscheidungen kurfristig sinnvoll sind. Gleichzeitig braucht es eine besondere Aufmerksamkeit auf die Teammitglieder und ihre individuellen Fähigkeiten, mit rapiden Veränderungen umzugehen.  

Distanz überbrücken

Das kurze Gespräch zwischen Tür und Angel fällt beim Arbeiten aus dem Home Office weg. Genauso die Gespräche in Kantinen und Kaffeeküchen. Begegnungen mit Mundschutz irritieren unser Empfinden von sozialer Kommunikation, da die Mimik des Gegenübers schwer zu erkennen ist. 

 

Um im social distancing als Team nicht auseinanderzudriften braucht es neue Formen von Nähe und Begegnung. Wie halten Sie es als Führungskraft? Fragen Sie neben den geschäftlich relevanten Themen auch mal danach, wie es Ihren Mitarbeitern mit all den Veränderungen geht? Was sich bisher in der Arbeit an Kommunikation nebenbei ergeben hat, braucht jetzt gezielte Steuerung. Das kann der Anruf im Home Office sein, um nachzufragen, wie Kollegen mit den neuen Rahmenbedingungen zu Recht kommen. Oder die gemütliche Wochenabschlussrunde per Video-Call, bei der die Menschen und das Menschliche im Vordergrund stehen.

 

Die Bälle in der Luft halten

So viele Dinge, die zeitgleich zu bewältigen sind. Im Krisenmodus gehört es zu den wichtigsten Skills, täglich neu zu priorisieren. Neben dem regelmäßigen und schnellen Abwägen, ist die Kommunikation über die Verschiebung von Prioritäten von äußerster Bedeutung. Teammitglieder sind auf diese Orientierung angewiesen. Denn nur wenn alle dazu beitragen, die richtigen Bälle in der Luft zu halten, kann der Balanceakt gemeinsam gelingen.

 

Wie viele Bälle halten Sie gerade in der Luft? Die Krise bietet auch die Chance, störrische Projekte endlich zu beerdigen und alte Zöpfe abzuschneiden. Je besser es gelingt, die Anzahl der Themen, die man gleichzeitig bewegen will, zu reduzieren, desto sicherer gelingt die Herausforderung.

 

Durchatmen

Wann kommen Sie zum Durchatmen? Führungskräfte laufen in dieser Ausnahmezeit besonders Gefahr, sich über ihre Grenzen hinaus zu verausgaben. Momente der inneren Ruhe helfen dabei, nach der Pause beherzt weiterzumachen. Wann haben Sie zum letzten Mal dafür gesorgt, Ihre eigenen Akkus, wieder aufzuladen? Bei der Sicherheitsunterweisung im Flugzeug lautet die Anweisung, im Notfall zunächst die eigene Sauerstoffmaske aufzusetzen. Erst wenn dies geschehen ist, sollte man sich anderen Hilfebedürftigen zuwenden. Nur wenn Sie als Führungskraft ausreichend auf Ihre eigenen Kraftreserven achten, gewinnen Sie die erforderliche Stabilität, um verlässlich für Ihr Team und die vielfältigen Aufgaben da zu sein.

 

Innehalten schützt vor Fehlentscheidungen. Auch in einer Zeit, in der Entscheidungen im Hochleisungstempo getroffen werden müssen, ist Zeit zum Nachdenken unerlässlich. Aus gutem Grund benötigt man Bedenkzeit, bevor man eine weitreichende Entscheidung treffen sollte. Die berühmte Nacht zum darüber schlafen gibt dem Unterbewusstsein Raum, längst vergessenes Wissen hervorzukramen und ein vollständiges Bild aus den möglichen Chancen und Risiken zusammenzusetzen. Durch Pausen gewinnen Entscheidungen an Qualität. Wer kann sich schon Fehlentscheidungen leisten, wenn gerade alles auf Messers Schneide steht?

Online eine gute Figur machen

Wie wirkungsvoll moderieren Sie Ihre Web-Meetings? Neben dem Beherrschen der Technik kommt es dabei besonders auf die Gesprächssteuerung an. Eine menschliche Bereicherung ist es, wenn alle Beteiligten ihre Kamera einschalten. Und der eine oder andere Gedanke lohnt sich, wie man selbst durch die Webcam gesehen wird. Kann das Gegenüber Ihnen gelegentlich in die Augen schauen, indem Sie den Blick auf die Kamera richten? Kommen alle Teammitglieder zu Wort? Die stillen Wasser holt man am besten mit rein, indem man sie gezielt um ihren Beitrag bittet.

 

Wenn Sie wollen, dass sich alle Teammitglieder im Online-Meeting einbringen, kann eine Einstiegsrunde Wunder wirken, in der jeder Teilnehmer persönlich aufgefordert wird, seinen Wortbeitrag zu geben. Auch eine gezielte Frage, die per Chat von allen beantwortet werden soll, regt zur Beteiligung an. Da zufällige Wortbeiträge Online viel schwerer eingestreut werden können, steht und fällt die Qualität des Meetings jetzt erst Recht mit einer konsequenten Moderation.

Unterstützung annehmen

Glauben Sie, dass Sie als Führungskraft alles alleine schaffen müssen? In einer Welt, die aus den Angeln gehoben wurde, ist dies noch viel weniger möglich, als zu einer Zeit, in der noch alles in geregelten Bahnen lief. Welche Skills sind in Ihrem Team vorhanden, durch die Sie jetzt besonders gut unterstützt werden können? Beispielsweise Online-Meetings lassen sich wunderbar zu zweit moderieren. Eine Person kümmert sich um die Inhalte, die zu präsentieren sind, eine weitere um die Gesprächssteuerung und Fragerunden.

 

Wer ist für Sie da? Wenn Sie einen Coach oder Mentor haben, sind Sie fein raus. Gerade jetzt ist es hilfreich, die eigenen Gedanken zu sortieren, um Nachts ruhigen Schlaf zu finden. Sie können mit Kollegen sprechen und sich Austauschen, welche Lösungen diese für die zahlreichen, neuen Herausforderungen finden. Oft haben wir falsche Scham davor, um Hilfe zu bitten. Die Bindung zu einem Menschen wächst, wenn man den Mut aufbringt, nach Unterstützung zu fragen.

 

Halt und Orientierung zu geben, gelingt am besten, mit eigener, innerer Stärke. Suchen Sie sich gezielt Wege und Menschen, die für Ihre persönliche Stabilität als Führungskraft förderlich sind.

 

Rosemarie Konirsch