Vertrauen soll wesentlicher Bestandteil der Zusammenarbeit im Sinne von New Work sein. Doch mal ehrlich, wie soll das funktionieren? 

 

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New Work und absolutes Vertrauen

Im Zuge von New Work wird propagiert, dass die Basis für eine gelingende Zusammenarbeit absolutes Vertrauen sei. Doch mal ehrlich, Sie haben es doch auch schon erlebt, dass in Unternehmen gestohlen wird, nicht wahr?

 

Ich erinnere mich an den Büromaterial-Schrank in der Baufirma in der ich als Anfang zwanzig Jährige in der Verwaltung gearbeitet habe. Die Scheren und Locher bekamen regelrecht über Nacht Beine. Ich war für die Büromaterialverwaltung zuständig. Alle KollegInnen konnten sich an dem Schrank frei bedienen.

 

Den übermäßigen Schwund an Material konnte ich erst eindämmen, als ich alles in einem abschließbaren Schrank verstaute. So mussten sich alle KollegInnen, die etwas brauchten, die Utensilien bei mir persönlich abholen und ich war stolz darauf, die Lage unter Kontrolle zu haben. 

Transparenz im Großraumbüro

Jahre später als ich in einem großen Technologie-Unternehmen als Beraterin aktiv war und Workshops zur psychischen Gefährdungsbeurteilung moderierte, wunderte ich mich über die Gestaltung der Großraumbüros. In den gewaltigen Büros mit bis zu 200 Arbeitsplätzen durften die Sideboards eine maximale Höhe von 120 cm nicht überschreiten. Alles musste von einem Ende des Raumes bis zum anderen offen einsehbar sein. Sichtbarrieren zwischen den Schreibtischen, die den Geräuschpegel in diesen Büros reduziert hätten, waren nicht gestattet. Hatte man doch in der Vergangenheit zu viele schlechte Erfahrungen damit gesammelt, dass sich Menschen Zeitung lesend und ratschend in verwinkelten Nischen der Büros aufgehalten hatten, anstatt ihrer Arbeit nachzugehen.

Wie weit darf Vertrauen gehen?

 

Und ich erinnere mich an eine Person, die Arbeitszeitbetrug begangen hat, indem Sie wiederholt Daten in ihrer Zeiterfassung gefälscht und damit ihre fristlose Kündigung provoziert hat.

 

Sicher kennen auch Sie Fälle, in denen Vertrauen benutzt und ausgenutzt wurde oder die Spielregeln, unter denen Zusammenarbeit konstruktiv funktioniert, sehr unterschiedlich ausgelegt wurden. Das mit dem Vertrauen ist also eine heikle Sache. Wie soll es funktionieren, wenn Menschen egoistisch handeln, und sich wenig um die Belange der Firma scheren?

Kontrolle hat ihren Preis

 

Doch ist Kontrolle die richtige Antwort? Für mich bedeutete die persönliche Herausgabe von Büromaterial ein regelmäßiges herausgerissen werden aus meiner Arbeit. Für meine KollegInnen bedeutete es ein regelmäßiges Wiederkehren an meinen Platz, wenn sie mich nicht gleich vor Ort antrafen. Die Situation war für niemanden befriedigend.

 

Und wenn ich an die Großraumbüros denke, in denen Programmierer, die hoch konzentriert arbeiten müssen, neben Kundenservicekräften saßen, die viel telefonierten – und das alles ohne schallhemmende Wände dazwischen, schaffte das Bedürfnis nach Kontrolle ganz neue Probleme, bei der wiederum viel produktive Arbeitskraft auf der Strecke blieb.

Die richtigen Fragen stellen

 

Die Antwort auf die Frage nach dem Vertrauen liegt wohl auf einer anderen Ebene. Was passiert, wenn wir beginnen uns zu fragen, warum sich Menschen am Eigentum der Firma bedienen, als wäre es ihr eigenes? Ist es nicht oft so, dass Menschen denken, ich bekomme hier nicht die Anerkennung, die ich mir wünsche. Da tut es auch niemandem weh, wenn ich mich hier bediene. Das steht mir als Ausgleich zu.

 

Welche Antworten finden wir, wenn wir uns fragen, warum sich Menschen hinter Wänden wegducken und von der Arbeit abtauchen? Ich persönlich erinnere mich an Zeiten mit wenig zugewandten Führungskräften. Wenn es die Räume zum Verstecken und Wegducken gegeben hätte, ich glaube, ich hätte sie genutzt. Auch wenn Menschen für alle sichtbar an ihrem Arbeitsplatz sitzen oder stehen, heißt es noch lange nicht, dass sie - gefrustet und zermürbt von emotional auslaugenden Arbeitsbedingungen - alle ihre Gedanken, Engagement und Energie, wirklich in die Arbeit investieren.

 

Vielleicht haben wir manchmal auch ein falsches Verständnis von Produktivität. Vielleicht sind die kleinen Pausen, das Schwätzchen mit den Kollegen genau die Energiequellen, die wir brauchen, um anschließend mit viel mehr Schwung weiterzumachen, anstatt schnurstracks in den Burnout zu marschieren.

Selbst gewählte Lernziele

 

Stellen Sie sich vor, alle Mitarbeitenden in ihrem Unternehmen hätten die Aufgabe, in einem drei-monatigen Lernzyklus während der Arbeitszeit an einem persönlichen Lernziel zu arbeiten. Das alles begleitet durch einen Lerncoach, der die Lernenden dabei unterstützt, ihr Lernziel mit den passenden Methoden und Materialien zu erreichen. Wie würden Sie reagieren, wenn sich nun einer der Kollegen das Lernziel setzt, er möchte besser beim Angeln werden? 

 

Während der Arbeitszeit? Bezahlt von der Firma? Das geht doch nicht! Der nutzt die Firma doch aus.

 

Wie wäre es mit einem anderen Blickwinkel auf diese Situation: Wir kennen eine Firma, die genau das einem Mitarbeiter ermöglicht hat. Das IT-Unternehmen QualityMinds, das mit seiner Methode des agilen Lerncoachings ein neues Lernformat entwickelt hat. 

Vertrauen und Potenzialentfaltung

 

Bei QualityMinds hat man überlegt, wie man den Firmenwert „Vertrauen“ auch in der Lernkultur abbilden kann. Diese erstreckt sich ganzheitlich auf die Mitarbeitenden und unterscheidet nicht zwischen beruflichem und privatem Leben. Auch wir waren von der Geschichte überrascht. Doch sie ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie man Potenzialentfaltung von Einzelnen im Unternehmen ganzheitlich gestalten kann. Dies mit vollkommenem Vertrauen in die Urteilskraft der Mitarbeitenden, was für sie gerade wichtig ist. 

 

Ganz unbeabsichtigt, entsteht auf diese Weise ein außergewöhnlicher Benefit der wahrscheinlich die Verbundenheit des angelnden Kollegen mit seinem Arbeitsplatz erhöht. Nebenbei und ebenfalls ungeplant eignet sich so eine Geschichte zudem wunderbar fürs Employer Branding – um zu vermitteln, was für ein wertschätzender Umgang mit der Belegschaft in diesem Unternehmen tatsächlich gelebt wird. Und allem voran hat der Kollege in seinem agilen Lern-Sprint neben dem Angeln viel darüber gelernt, mit welchen Methoden er am wirkungsvollsten lernen kann, wenn er sich Anwendungs-Lernziele setzt.

Identifikation mit ganzem Herzen

 

Die Frage nach dem Vertrauen ist vielschichtig. Es entsteht nicht von heute auf morgen. Kontrolle ist jedenfalls nicht die passende Antwort, wenn Vertrauen ausgenutzt wird. Vielmehr geht es darum, Antworten auf die Frage zu finden, wie es gelingt, dass sich Menschen von ganzem Herzen mit ihrer Firma, ihrem Arbeitsplatz, ihrem Arbeitgeber und ihrer Aufgabe identifizieren.

 

Wenn Sie sich als Führungskraft, PersonalentwicklerIn oder Geschäftsleitung dafür interessieren, wie Sie das Vertrauen in Ihrem Unternehmen stärken können, setzen Sie sich gerne zum Gedankenaustausch mit uns in Verbindung. Gerne auch wenn Sie eigene, markante Beispiele haben, die Sie mit uns teilen möchten.

 

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