Einem Elektronikkonzern ist es gelungen, mit seiner Akademie 45+ die Weiterbildungsbeteiligung älterer Mitarbeiter zu steigern. Dies sichert die Beschäftigungsfähigkeit und trägt wesentlich zu erfüllender Zusammenarbeit aller Generationen bei.

 

 

Junge hinter Bücherstapel

Weiterbildung 45+? Leider Fehlanzeige!

Die Auswirkungen auf die Beschäftigungsfähigkeit des Einzelnen und die Zusammenarbeit in Teams sind fatal. In einer Zeit, in der sich Technologien rasant wandeln, Prozesse digitalisiert und Zusammenarbeit internationalisiert werden, ist Stillstand in der eigenen Weiterbildung gefährlich. Und das beginnend in einem Alter, dem noch zwanzig Jahre bis zum Renteneintritt vorausgehen. Eine Vorstellung, die mich persönlich sehr erschreckt. Ein junger Coaching Klient berichtete mir von einem älteren Kollegen. Seiner Einschätzung nach kam der Senior mit den Zahlen und Formeln in seiner Excel Tabelle nicht sehr gut zu Recht. Der Jüngere, sollte von ihm eingearbeitet werden, wurde jedoch immer wieder mit Informationen kurzgehalten. Seiner Vermutung nach taktierte der Ältere, um seine Wissenslücken zu verbergen. Frust und Missstimmung zwischen den Beiden war an der Tagesordnung. Erfüllende Zusammenarbeit bedeutet, nach getaner Arbeit mit Freude darüber nach Hause zu gehen, was man gemeinsam auf den Weg gebracht hat; Davon war hier leider keine Spur.

Lesebrille auf Buch

Die Basis für erfüllende Zusammenarbeit

Die Weiterbildungsbeteiligung nimmt, laut einer Statistik des Bundesinstitutes für Bevölkerungsforschung ab dem vierundvierzigsten Lebensjahr deutlich ab. Liegt es daran, dass Menschen ab der Lebensmitte weniger Interesse an der persönlichen Weiterentwicklung haben? Oder daran, dass Unternehmen nicht mehr bereit sind, intensiv in Weiterbildung 45+ zu investieren?

Personen bei einem Meeting

Weiterbildung 45+ im Unternehmen verankern

Wie bringt man Kolleginnen und Mitarbeiter dazu, den Wissensstand auch im fortgeschrittenen Alter regelmäßig zu erneuern? Ein Weg kann es sein, Weiterbildung 45+ fix im Unternehmen zu verankern. Ein namhafter Elektronikkonzern, hat den Versuch gewagt.

Mann unterzeichnet einen Vertrag

Beim ersten Mal war die Akademie 45+ von viel Skepsis und Irritation begleitet

Das Unternehmen bietet jährlich für drei Monate eine „Akademie 45+“ an. Beim ersten Mal war dieses Format von viel Skepsis und Irritation begleitet. „Gehören wir denn jetzt zum alten Eisen?“, „Warum kann ich als jüngere Mitarbeiterin nicht auch an den Maßnahmen teilnehmen?“. Ein Tabu war aufgebrochen. Es wurde offen im Unternehmen über Altersunterschiede beim Lernen gesprochen.

 

Nach und nach besuchten die älteren Kollegen den angebotenen Englischunterricht die Word- und Excel-Kurse, sowie die Tablet-Schulungen. Alle für gezielte Weiterbildung 45+ zugeschnitten. Zunehmend gestanden die MitarbeiterInnen 45+ ein, dass sie doch so manche Lücke in ihren Kenntnissen hatten. Viele trauten sich nun in Weiterbildungen, die sie gemeinsam mit jüngeren Kollegen nur ungern besucht hätten. Hatten manche doch erlebt, dass sie mit dem Lerntempo der Jüngeren nicht mehr Schritt halten konnten. Zudem wurde das Angebot um ein Format bereichert, in dem sich die Teilnehmenden mit dem eigenen Älterwerden und der Vorbereitung auf den näher rückenden Ruhestand auseinandersetzen konnten. In den Lerntechnik- und Gedächtnistrainings, die ich als Trainerin dort durchführe, beschäftigt die Teilnehmer immer wieder eine bange Frage: „Ich kann mich nicht mehr so gut konzentrieren wie früher, sind das schon Anzeichen von Alzheimer?“ Den Damen und Herren tut der Austausch unter Gleichaltrigen gut. Sie erleben, dass sie mit der Abnahme der Konzentrationsfähigkeit und des Lerntempos nicht alleine dastehen. Und es beruhigt sie sehr zu hören, dass dies ganz normale Entwicklungen sind, die sich neurowissenschaftlich nachweisen lassen und die niemanden erschrecken sollten.

Silhouette von glücklichen Menschen

Weisheit 45+ - Was mit den Jahren besser wird

Doch nicht alle Fähigkeiten nehmen im Alter ab. Der Gehirnforscher Martin Korte beschreibt in seinem Buch "Jung im Kopf" auch die positiven Veränderungen, die mit dem älter werden einher gehen. Durch die Lebenserfahrung ab der Lebensmitte nimmt die Gelassenheit zu. Kritische Situationen versetzen einen nicht mehr so leicht in Panik. Aus Studien mit Fluglotsen weiß man, dass ältere es außerdem besser verstehen, die Weichen frühzeitig zu stellen, damit heikle Situationen gar nicht erst entstehen. Lebenserfahrene Menschen sind sprachgewandter und haben ihre Emotionen besser unter Kontrolle. Eine wesentliche Voraussetzung, um Konflikte mit einem kühlen Kopf zu lösen. Dadurch tragen erfahrene Mitarbeiter einen wesentlichen Anteil zu erfüllender Zusammenarbeit bei.

 

Ausgerüstet mit diesen Erkenntnissen der Gehirnforschung und mit Gedächtnistechniken zum leichteren Einprägen von Zahlen, Namen und Vokabeln fühlen sich die Besucher der Gedächtnistrainings schnell wieder wohl in ihrer Haut. Sie erfahren, wie sie durch Üben, ausreichend Schlaf und gesunde Ernährung maßgeblich zum Erhalt ihrer Lernfähigkeit beitragen können. Denn Jeder hat es selbst in der Hand! Laut Martin Korte bestimmen frühestens ab dem fünfundachtzigsten Lebensjahr unsere Gene darüber, wie lange wir geistig fit bleiben. Bis dahin sind wir selbst unseres Glückes Schmied.

Holzfigur mit Buch

Erfüllende Zusammenarbeit bis zur Rente

Für eine erfüllende Zusammenarbeit bis zum Renteneintritt sollte es in einer Wissensgesellschaft selbstverständlich sein, dass ältere KollegInnen genauso gefördert werden, wie die jüngeren. Weiterbildung 45+ sollte zur Tagesordnung gehören. Denn Zusammenarbeit wird dann erfüllend, wenn man mit Kolleginnen und Kollegen an einem Strang zieht. Wenn es Spaß macht, mit ihnen zu fachsimpeln. Wenn man sich sowohl persönlich als auch fachlich aufeinander verlassen kann. Dies gelingt mit einem Mindset des lebenslangen Lernens. Und wenn alle Generationen die Chance erhalten und gefordert sind, ihr Skillset und Toolset auf dem Laufenden zu halten.

 

Rosemarie Konirsch